Der Angstcaruso - Kapitel 3

Gib mir deine Hand.

Toll. Klebrig. Leberwurst. Aber was solls? Nach so langen Jahren. Nach der Holländerin und dem ganzen Unaussprechlichen, das sich in deinem Gesicht schlafen legte, stehen wir breitgesichtig woreinander, während dein kleiner Bruder mir eine Schleudertrommel zum günstigen Freundschaftspreis andrehen will.

Wahnsinn, sage ich. Kaue geklauten Kaugummi.

Ich hab deine Hand ganz vergessen, sagst du.

Nur 600 Mark, speichelt er begeistert hinter seinem Blechgerät. Nur 600 Mark! Heult er entzückt.

Ingeborg, denke ich.

Alle Anderen sind auch da und versuchen verheiratet auszusehen. Verheiratet aber freundlich. Niemandem gelingt die kleinste Handbewegung. Ulli derbt den Sittenstrolch, droht mit Lüstling, schwitzt dabei Angst und Wasser, aber er muss nichts beweisen.

Alle kreischen vor Lachen. Alle jagen mit den Augen über die Gesichter der anderen. Wir schämen uns, so geworden zu sein. Jetzt wird Partylicht eingeschaltet. Noch einmal sehe ich dich. Aber, ich kann mich schon wieder täuschen. Niemand hat ein Schicksal erwischt. Nur die, die fehlen, sind nicht uninteressant. Aber keiner ist tot.

Sehr bekannt miteinander fällt es niemandem unanständig ein zu glauben, ein anderer habe sich verändert. Geheimnis tickt in den Uhren, die mit elektrischen Summern zu der einen oder anderen Zeit in Hosentaschen erpiepen wie ausgebildete Zeitküken.

Dann verschwinden wieder welche. Abgelaufen. Fertig.

Und Ingeborg auch.

Mein großer Pickel wächst und am linken Backenknochen. Ich zeigte ihr nur das rechte Profil. Voller Erfolg. Sie hat nichts gesehen, nehme ich an. Aber ihre breit geworden Schultern und die schwer geworden Brüste sprachen Bände. Der Pickel hätte sie auch nicht ermorden können... Unsere weichen Gesichter, unsere Kreislaufumdrehungen von früher, eingesunken in verschiedene Erinnerer.

Nichts mehr da. Nur eine Schleudertrommel. Nicht zu teuer. Für dieses Erlebnis als Erinnerung gerade gut. Er hat sein Geschäft gemacht. Du hast ihm geholfen. Du es bewußt gemacht hast will ich gar nicht wissen. Es ist gut. Stahl. Rostfrei. Billig. Ehrlich.


Von den weiteren Kapiteln liegen Bilder und Textauszüge vor. zu Kapitel 4


© Text 1986 Theo Köppen © Zeichnung 1988,2001 Roland Epper.
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